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Mit weitem Blick

  • Die Welt ständig mitdenken und lokal handeln: Tatjana Owodow, die neue Ökumene-Beauftragte des Kirchenkreises

Rendsburg – Nach einem kurzen Monat der Eingewöhnung gibt es gleich den ganz großen Bahnhof: Rendsburg und das estnische Haapsalu feiern ihre 30-jährige Partnerschaft – und Tatjana Owodow ist mittendrin, wenn diese Woche eine Delegation der Kirchengemeinde aus dem Baltikum diese Woche eintrifft. Die 39-Jährige mit der großen schicken Brille ist die Neue auf der Ökumenischen Arbeitsstelle des Kirchenkreises Rendsburg-Eckernförde. Empfänge und Besuche, eine Podiumsdiskussion im Rendsburger Haus der Kirche (Freitag, 14.30 Uhr), der gemeinsame Erntedank-Gottesdienst in der Christkirche (Sonntag, 9.45 Uhr): Owodow wird ab Mittwoch ein gutes Geh-, Steh- und Sitzvermögen brauchen und eine gute Zunge. Doch in beiden Punkten braucht man sich bei ihr nicht zu sorgen.

Tatjana Owodow kommt vom Diakonischen Werk, wo die studierte Sozialpädagogin mehr als sieben Jahre lang Migranten und Geflüchtete beraten hat. „Die Arbeit und der Kontakt mit Menschen, meine interkulturellen Kompetenzen, das Netzwerken – das waren wichtige Säulen und sind es auch jetzt auch wieder“, sagt sie. Dass sie mehrere Sprachen spricht, erleichtert vieles. Im Beirat des Flüchtlingsbeauftragten lernte sie auch Pastor Henning Halver kennen, ihren Vorgänger auf der Ökumene-Arbeitsstelle, der beim Empfang der Partner aus Estland natürlich auch dabei sein wird, obwohl mittlerweile pensioniert. „Henning ist ein wunderbarer Mensch“, sagt Tatjana Owodow, „er ist ein Allrounder, der viel bewegt hat in seinem Leben, ein dickes Buch, in dem ich ständig neue interessante Gedanken finden kann – ein wirklicher Mentor. Für den guten Austausch mit ihm bin ich sehr dankbar!“

Das Russische und das Deutsche

Leonid Breschnew war noch Staatsoberhaupt der Sowjetunion, da kam Owodow in Zentralrussland zur Welt, zweieinhalb Autostunden südlich von Moskau – unweit des Gutshauses, in dem Leo Tolstoi sein gesamtes Leben verbrachte. Nach dem berühmten Schriftsteller („Krieg und Frieden“) ist auch die Hochschule in Tula benannt, an der Owodow studierte und mehrere Jahre als Dozentin für Deutsch, Französisch und Latein arbeitete – bis sie im Jahr 2000 Familienangehörige in Rendsburg besuchte, „eine kleine Stadt mit viel Militär und viel Charme“, wie sie damals dachte. „Ich habe mich gleich wohl gefühlt, eine kleine Heimat.“ Der Entschluss reifte, nach Deutschland zu gehen.

Oder zurück zu gehen? Denn Tatjana Owodow ist eine sogenannte „Russlanddeutsche“ – ein merkwürdiger Begriff, der zugleich einschließt und ausgrenzt. Ihre Vorfahren siedelten sich unter Katharina der Großen auf der Krim und an der unteren Wolga an, noch ihre Großeltern hatten ihre Kindheit dort verbracht und Tatjana viel darüber erzählt – immer auf Deutsch. „Das Russische und das Deutsche, da habe ich zwei Welten kennen gelernt. Das hat mich, glaube ich, offener für Neues gemacht als Andere.“ Ihr Interesse für Sprachen als „Schlüssel für die Welt“, sagt Owodow, sei genau auf diese kindliche Prägung zurückzuführen. „Russlanddeutsch“, das kann auch heißen: das Beste aus zwei Welten.

Ein zweites Studium

2001 stellte sie den Antrag auf das „Spätaussiedleraufnahmeverfahren“. Der wurde einige Jahre geprüft, eine Menge Unterlagen mussten her. 2006, kurz nach dem deutschen WM-“Sommermärchen“, die Großeltern waren mittlerweile gestorben, zog sie mit ihren Eltern nach Rendsburg – und belegte, obwohl in Tula noch Deutschdozentin, erstmal einen Crashkurs Deutsch. Weil ihr früh klar war, dass ihr russischer Hochschulabschluss nicht anerkannt werden würde, studierte sie ein zweites Mal, diesmal auf Deutsch und in Kiel. Gute fünf Jahre später stellte die Diakonie des Kirchenkreises sie als staatlich anerkannte Sozialpädagogin ein. Tatjana Owodow kann sich hineingraben in Themen, ohne dabei Lächeln und Offenheit zu verlieren. Demnächst will sie ihr Englisch aufpolieren. Denn wenn beispielsweise die Esten auch Russisch sprechen können – sprechen mögen sie die Sprache der einstigen Besatzer nicht so gerne. Da lieber auf Englisch.

Und wie war der erste Monat im Kirchenkreis? „Der Einstieg war toll“, sagt Owodow. „Bei einer Tagung in Breklum habe ich gleich meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ökumenischen Arbeitsstellen kennen gelernt, das hilft sehr. Den ‚Seetember‘ hier in Rendsburg durfte ich ja noch in der Diakonie mitplanen und habe ihn einfach auf dieser Stelle mit beendet, das ergänzte sich wunderbar.“ Und dass sich Tatjana Owodow mit Sabine Klüh, zuständig für die Frauenarbeit im Zentrum für Kirchliche Dienste, vorerst ein Büro teilt, hat gleich dazu geführt, dass sie gemeinsam den Weltgebetstag am 7. November vorbereiten. „Ich hoffe und freue mich auf ähnliche Projekte mit Pastorinnen und Pastoren, Schulen und Kitas und die Weltläden. Denn das Thema Bewahrung der Schöpfung, fairer und regionaler Handel und Klimagerechtigkeit drängt sich ja zunehmend auf – da kann man zusammen spannende Aktionen planen.“

Ökumene - die gesamte Welt denken

Wenn der griechische Begriff Ökumene die „bewohnte Welt“ meint, sagt Owodow, dann dürften und sollten wir diese Welt auch ständig mitdenken. Auf Menschen aus anderen Erdteilen und anderer Religionen zugehen, an ihnen und ihren Lebensumständen interessiert sein. Dass der Kirchenkreis neulich bei der Fridays for Future-Demo mitgelaufen ist, findet sie deshalb genau richtig. „Klimagerechtigkeit, Menschenrechte, Frieden, diese Themen gehören zusammen und gehen uns alle an – aber nicht mit einem belehrenden Zeigefinger, sondern einfach mit der Frage: Was kann ich tun und ändern, bei mir und in meinem Umfeld?“

Leo Tolstoi, der weise Mann aus der Nähe Tulas, notierte übrigens 1908 am Ende seines langen Lebens: „Mögen die Parsen ihre Topis tragen, die Juden ihre Philalektere, die Christen ihr Kreuz, Muselmänner ihren Halbmond; aber mögen sie alle dessen eingedenk sein, dass dies nur Formen und Embleme sind, dass aber das Grundwesen aller Religionen – die Nächstenliebe – in gleicher Weise gefordert wird von Jesus, Paulus, Manu, Zoroaster, Buddha, Moses, Hillel, Sokrates, Mohammed.“ Ganz so weit würde Tatjana Owodow vielleicht nicht gehen. „Aber die Nächstenliebe, wie sie zum Beispiel aus der Bergpredigt spricht“, sagt sie, „das ist schon ein sehr gutes Fundament, um Menschen zusammenzubringen.“


Wenn Sie Interesse an der Ökumene-Arbeit im Kirchenkreis haben, melden Sie sich gerne bei Tatjana Owodow per Telefon (04331-945 60 60) oder Mail: tatjana.owodow@kkre.de